Orientierung durch Orthodoxe Dogmatische Erläuterung | Psychotherapie |
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Spiritualität, was ist das ? 2 Vater Johannes Nothhaas |
Das Wort leitet sich ab von dem lateinischen Wort spiritus und bedeutet Geist. Im christlichen Sprachgebrauch verbindet sich mit dem Wort Spiritualität sofort der Gedanke an den Spiritus Sanctus, d.h. den Heiligen Geist. Dieser wiederum ist nicht denkbar ohne sein Wirken in der Kirche. Mit seiner Ankunft am ersten Pfingsten in der Jerusalemer Urgemeinde unter Zeichen wie Sturmesbrausen und Feuerzungen erfüllt er die dort versammelten Apostel und Gläubigen mit einem begeisterten Mut, das Evangelium in aller Öffentlichkeit zu verkündigen. Von diesem Tage an beginnt der Siegeszug des Evangeliums in die Welt. Das Charakteristische christlicher Spiritualität, mit der die Kirche in der Gesellschaft auftritt, ist in doppelter Weise provozierend: Es ist der Wahrheitsanspruch, den die Christen gegenüber allen anderen Religionen erheben, der ihnen auch die drei Jahrhunderte dauernde Verfolgung durch den römischen Staat einbrachte. Nicht nur dass sie den Gott, den sie verehren, als den einzigen und allein wahren Gott verkünden, das erregt schon genügend Anstoß, aber unerträglich für die heidnische Welt war, dass sie allen anderen Göttern die Verehrung und Anbetung verweigerten. Das zweite Skandalon, das die Christen ihrer Umwelt zumuteten, war, dass sie eine andere Ethik verkündeten und lebten. Ihr Eintreten für die Schwachen und Unterdrükten nach dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter widersprach dem Denken in Gesellschaft und Politik. Als geradezu herausfordernd wurde ihre Verehrung des Jesus von Nazareth als Gott und wahrer König der Juden empfunden, der auf Veranlassung seines eigenen Volkes den Verbrechertod am Kreuz erleiden musste. Das Erstaunliche für die damalige Welt war jedoch die Erfahrung, dass diese für sie absurde, neue Form der Gottesanbetung mit ihrem als überzogen empfundenen Wahrheitsanspruch und als weichlich verachteten Ideal der Nächstenliebe nach und nach sich immer weiter im römischen Weltreich ausgebreitet hatte. Nach knapp 300 Jahren, war das Christentum zur staatstragenden Religion aufgestiegen, und von Jerusalem ausgehend gab es in allen Ländern rings um das Mittelmeer bis England und zum Kaukasus überall christliche Gemeinden. - Was war es gewesen, was diesem Gottesglauben eine solche innere Kraft gab zu einem derartigen Siegeszug? Die Frage nach dieser Kraft ist die Frage nach der Spiritualität des Christentums. Seine Anziehungs und Überzeugungskraft lag genau in den Kennzeichen, die von der Umwelt als abstoßend empfunden wurden. - Es war der geradezu unumstößliche und bis zum Märtyrertod in der Arena bezeugte Glaube - an den Mensch gewordenen Gottessohn, seine Auferstehung von den Toten und die Liebe Gottes zu allen Menschen, die die Christen mit ihrem Leben bezeugten, - dieser Glaube war es, der die Menschen anzog. Es war die Balance von Wahrheit und Liebe, die das Christentum auszeichnete. Der Anspruch der jungen Kirche, die von Gott offenbarte Wahrheit den Menschen zu verkünden, war bald heftiger aus den eigenen Reihen als von der Umwelt angefochten. Gegen diese Verfälschungen des Evangeliums durch alle möglichen Abspaltungen wehrte sich die Kirche mit einem dreifachen Mauer: 1. durch Glaubensbekenntnisse, die in Kurzform den Glauben enthielten, 2. durch das autoritative Bischofsamt, 3. durch Berufung auf die Evangelien und apostolischen Briefe Mit diesen drei Schutzmauern hat die Kirche für alle Zeiten den Inhalt ihrer Verkündigung und damit das Fundament ihrer Spiritualität errichtet. Die Umsetzung dieser theologischen Erkenntnisse in Lebensformen, damit sie für alle Zukunft das Sein der Kirche prägen, erforderte eine Dreiteilung der Aufgaben : - in Theologie, - in Liturgie und - in Diakonie. Theologie mit ihren Erkenntnissen hat nur dann auf Dauer Bestand, wenn sie in Liturgie, d.h. in Verherrlichung Gottes umgesetzt wird. Die genaueste Definition des Menschen ist gerade die liturgische, dass der Mensch sagen kann: „Ich singe meinem Gott, solange ich lebe". Ein Heiliger ist kein Übermensch, sondern einer, der seine Wahrheit im liturgischen Leben findet. - Die Umsetzung von Theologie in Liturgie bedeutet, dass beide nicht ohne die Gemeinschaft der Gläubigen vollzogen werden können. Schon im Vaterunser sind die Menschen nur in der Mehrzahl erwähnt. Aber Theologie, in die schönsten liturgischen Formen und Gebete umgesetzt, wäre nur ein ästhetischer Selbstgenuß, wenn nicht diese beiden Säulen der Spiritualität getragen wären von der aktiven Nächstenliebe in der Diakonie. Alle drei Säulen der christlichen Spiritualität sind unerlässlich und von gleichem Gewicht. Eine Überbetonung auch nur einer von diesen dreien würde die Harmonie des geistlichen Lebens in der Kirche stören und allen dreien ihre Schönheit und Wahrhaftigkeit rauben. Wenn wir allein die Wahrheit liebten und vergäßen die Nächstenhebe, würden wir uns in die Inquisition verrennen. Würden wir allein die Nächstenliebe praktizieren und vergäßen die Wahrheit, so endeten wir in einer grenzenlosen Sentimentalität. Von allem Spirituellem auf dem Jahrmarkt der Esoterik unterscheidet sich christliche Spiritualität in vielerlei Hinsicht: Ihr Ausgangspunkt ist nicht der Mensch und die Erfüllung seiner natürlichen Wünsche, sondern die Offenbarung Gottes zuletzt in der Menschwerdung seines Sohnes und der Sendung des Geistes vom Jenseits ins Diese seits unsrer Existenz. Hier geht es nicht um Ideen, sondern um die zeitlos gültige Wahrheit des Evangeliums, um Tatsachen in der Geschichte. Die Überlieferung dieser Wahrheit ist nicht Einzelpersonen anvertraut, sondern der vom Geist geleiteten Kirche. Ziel aller christlichen Spiritualität ist die Unsterblichkeit des Menschen.
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