Unterschiede in den Übersetzungen
Wie kann es möglich sein, dass die
Protestanten „nicht über die Heilige Schrift
hinausgehen“, und sich trotzdem untereinander
widersprechen? Wenn die Bibel von Gott als
„Glaubenssatzung“ gegeben worden wäre, als vollständige
Anleitung für das, was wir glauben sollten, dann müssten
sie sich alle darin einig sein, was sie aussagt. In
Wirklichkeit sind jedoch deren Differenzen erheblich.
Wenn Gott beabsichtigte, dass wir die
Heilige Schrift als alleinigen Glaubensführer
betrachten, müsste er auch dafür sorgen, dass sie in
allen Sprachen dasselbe
aussagt. Doch neben den Übersetzungen aus dem
Griechischen und Hebräischen in die verschiedenen
Sprachen, die dem Text durchaus einen anderen Sinn geben
können, gibt es auch innerhalb einer Sprache
unterschiedliche Übersetzungen. Es kommt auch vor, dass
verschiedene Religionsgemeinschaften ihre eigene
Übersetzung herausgeben, die bestimmte Aussagen
entsprechend ihren Lehren oder Dogmen anders wiedergibt.
Nur die Bibel?
Als ein Beispiel betrachten wir eine
Stelle der Heiligen Schrift, die mit unserem Thema zu
tun hat. Wir vergleichen dabei den griechischen
Grundtext mit zwei Übersetzungen in die deutsche
Sprache, die ihn unterschiedlich wiedergeben.
Es handelt sich um
2.
Timotheus
3, 16, wo es im griechischen
Grundtext heißt:
"Πάσα γραφή θεόπνευστος, και ωφέλιμος προς διδασκαλίαν,
προς ελεγμόν, προς επανόρθωσιν, προς παιδείαν την εν
δικαιοσύνη..."
Die Einheitsübersetzung gibt die
Bibelstelle folgendermaßen wieder: „Jede von Gott
eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur
Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der
Gerechtigkeit;…“ Wie im Grundtext wird hier nicht der
bestimmte Artikel „die“ verwendet.
Andere Übersetzungen fügen den
bestimmten Artikel „die“ ein, sodass der Eindruck
entsteht, dass der Vers über „DIE“ Heilige Schrift
spricht. Dadurch soll die Ansicht gestützt werden, dass
NUR die Heilige Schrift durch Gott inspiriert ist.
Die NWÜ der Wachtturm - Gesellschaft zum
Beispiel übersetzt diese Stelle so: „Die ganze
Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich zum Lehren,
zum Zurechtweisen, zum Richtigstellen der Dinge, zur
Erziehung in [der] Gerechtigkeit,…“
Aber auch so sagt dieser Vers nicht aus, dass NUR die
Heilige Schrift inspiriert ist. In Wirklichkeit sagt sie
lediglich aus, dass
jede Schrift, die inspiriert ist, auch nützlich
ist.
Diese Stelle
handelt überhaupt nicht von der Heiligen Schrift! Sie
handelt von
jeglicher inspirierten Schrift!
Denn als diese Bibelstelle geschrieben wurde, galt
nur das Alte Testament
als Heilige Schrift.
„Aber es
gibt doch keine andere inspirierte Schrift außer der
Bibel!“ wird vielleicht jemand protestieren.
DIE BIBEL SELBST SAGT JEDOCH
NIRGENDWO AUS, DASS SIE DIE EINZIGE
INSPIRIERTE SCHRIFT SEI!
Wenn jemand dies behauptet,
sagt er das aus sich selbst heraus, ohne es
anhand der Bibel beweisen zu können.
Dadurch würde er aber selbst
nicht „nur die Bibel“ annehmen, wie er es
gerne behauptet, sondern auch etwas eigenes,
das über die Bibel hinausgeht: Dass nur das
zu akzeptieren ist, was in der Bibel
geschrieben steht. |
Denn in Wirklichkeit steht in der Bibel
weder irgendwo geschrieben, dass nur sie von Gott
inspiriert ist, noch steht geschrieben, dass wir nur die
Bibel akzeptieren dürfen und nichts anderes! Diese
Behauptungen sind somit schon von sich aus, „etwas
anderes“! Es handelt sich dabei nämlich um eine
außerchristliche menschliche Überlieferung, die die
Kirche in den 20 Jahrhunderten ihrer Geschichte niemals
angenommen hat.
Die Glaubwürdigkeit der Kirche
Die Bibel selbst gibt nicht die Ansicht
wieder, dass wir sie als Satzung und alleinige Grundlage
unseres Glaubens betrachten sollten. Der Apostel Paulus
schreibt das mit deutlichen Worten im
ersten Timotheusbrief 3, 15:
„Falls ich aber länger ausbleibe, sollst du wissen, wie
man sich im Hauswesen Gottes verhalten muss, das heißt
in der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule
und das Fundament der Wahrheit ist.“
Nach dieser Aussage ist nicht
die Bibel das Fundament unseres Glaubens, wenn
wir die Wahrheit erfahren wollen,
sondern die Kirche! Die
Bibel ist heilig und inspiriert, sie ist aber nicht
verfasst worden, um als Fundament für unsere Dogmen zu
dienen.
Die Dogmen haben ihr Fundament in der Kirche.
Die Bibel ist
ein
Weg, den die Kirche verwendet, um sich mitzuteilen.
Die Kirche verfügt jedoch über viele Wege der
inspirierten Mitteilung
an die Menschen.
Die obige Bibelstelle antwortet auch auf die Frage, die
manche stellen: „Selbst wenn wir davon ausgehen, dass es
auch andere inspirierte Schriften neben der Bibel gibt,
wie können wir uns auf etwas anderes außer der Bibel
verlassen, die doch so nah zur Zeit des Herrn
geschrieben wurde?“
Die Antwort ist, dass die Kirche
genauso wie sie für die Glaubwürdigkeit der Heiligen
Schrift bürgt, sie es auch für die Glaubwürdigkeit der
übrigen kirchlichen Überlieferung tut. Wenn die
Kirche nicht als glaubwürdig genug betrachtet wird, um
für irgendeine Schrift zu bürgen, dann ist sie
notwendigerweise auch nicht glaubwürdig bei der Auswahl
der Schriften, aus denen die Bibel besteht! Denn da die
Bibel selbst
keinen Katalog ihrer Schriften enthält,
ist der Leser gezwungen, sich auf überlieferte Quellen
außerhalb
der Bibel zu stützen.
Das Neue Testament hat seine jetzige Form im 4.
Jahrhundert n. Chr. erhalten, nachdem sich
der Kanon des Heiligen Athanasius
durchgesetzt hatte, der
zum ersten Mal das Buch der Offenbarung im Neuen
Testament beinhaltete.
Diese Schrift war bis zu diesem Zeitpunkt nicht
Bestandteil der verschiedenen Bibelkanons. Wie kann also
jemand die Offenbarung anerkennen, die im 4. Jahrhundert
von der Kirche in den Kanon aufgenommen wurde, und
gleichzeitig ältere Schriften der Kirche ablehnen?
Da sie in der Reformation des 16. Jahrhunderts wurzeln
und
keine historische Kontinuität
zu der Zeit der Apostel haben, lehnen verschiedene
protestantische Glaubensgemeinschaften die Kirche, die
vor ihnen existierte, ab und behaupten willkürlich, dass
die Kirche abgefallen wäre. So akzeptieren sie nur die
Bibel, da sie aus der Zeit der Apostel stammt. In
Wirklichkeit hat aber
die Kirche des 4. Jahrhunderts (die sie nicht
anerkennen) festgelegt, welches die Schriften der Bibel
sein sollen.
Es existierten zu dieser Zeit auch andere Schriften aus
dem ersten Jahrhundert.
Anhand der bewahrten Texte des 4. Jahrhunderts wählte
der Heilige Athanasius diejenigen aus, die mit der
kirchlichen Überlieferung übereinstimmten.
Im selben Grad, in dem die
Heilige Überlieferung des 4. Jahrhunderts abtrünnig und
falsch wäre, wäre auch die Heilige Schrift abtrünnig und
falsch.
Scheinbare Widersprüche
„Wieso gibt es dann Widersprüche
zwischen der Bibel und der übrigen Überlieferung?“ wird
jemand fragen.
In Wirklichkeit gibt es keinen
Widerspruch. Genauso wie jemand, der die Bibel nur mit
dem Zweck liest, Widersprüche zu finden, diese auch von
Buch zu Buch finden wird, wird auch ein Protestant, der
mit diesem Zweck die sonstigen inspirierten Schriften
der Überlieferung liest, die gleichen scheinbaren
Widersprüche finden.
In der Bibel gibt es zum Beispiel den
Vers Matthäus 23, 9,
wo geschrieben steht: „Auch
sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen;“.
In einer anderen Stelle aber, in 1. Korinther 4, 14-15,
nennt sich der Apostel Paulus Vater der Korinther!
Jemand, der gläubig ist, erkennt hier
die unterschiedliche Bedeutung des Begriffs „Vater“ in
diesen zwei Bibelstellen. In der ersten wird der Begriff
in einem absoluten Sinn, der nur Gott zusteht,
verwendet, in der zweiten Stelle, geschieht dies in
einem relativen Sinn, der auch Menschen zukommen kann.
Jemand, der darauf aus ist, Fehler zu finden, wird hier
einen Widerspruch erkennen. In der gleichen Art und
Weise handelt ein Protestant, der die Kirche
beschuldigt, einen Priester als „Vater“ ( Pater) zu
bezeichnen. Interessant dabei ist, dass es derselben
Person nie in den Sinn kommen würde, den Apostel Paulus
zu beschuldigen, in Widerspruch mit Jesus Christus zu
stehen! Die sonstige Heilige Überlieferung erscheint ihm
aber dennoch widersprüchlich.
Das gleiche trifft auch auf die anderen Punkte zu, in
denen Protestanten die Heilige Überlieferung
kritisieren. Dabei wäre es angebracht, vor jeglicher
Kritik,
die Kirche selbst nach den Gründen für die scheinbaren
Widersprüche zu fragen, anstatt sich auf Begründungen zu
verlassen, die aus fremder Quelle stammen.
Die
inspirierten
Quellen
des
Glaubens
Das obige deutet auf noch einen Punkt hin, der zum
besseren Verständnis der Argumentation dienen kann. Die
Tatsache, dass
jeder die Bibel nach seinem Urteil auslegen kann,
hat dazu geführt, dass es heute Tausende von
Gemeinschaften gibt, die behaupten, über die richtige
Auslegung zu verfügen. Das zeigt auf, dass
die Bibel,
auf sich alleine gestellt,
nicht der sichere Weg zu Gott ist. Zur richtigen
Auslegung
wird die Anleitung der Kirche benötigt,
die die Bücher der Bibel verfasst und zusammengestellt
hat.
Sie hat als
„Säule und Fundament der Wahrheit“
über die Jahrhunderte das Evangelium, die Frohe
Botschaft, unverändert bewahrt. Wo es in der Bibel
Lücken gibt, werden diese durch andere inspirierte
Quellen ergänzt.
Deswegen verwendet die
Orthodoxe Kirche die folgenden inspirierten
Schriften, die sich untereinander in
völliger Harmonie befinden:
Die Bibel als die
Heilige Schrift,
die Entscheidungen
der ökumenischen Konzilien,
die Texte der
Kirchenväter, die durch die
ökumenischen Konzilien genehmigt
wurden,
die Hymnologie der
Kirche,
und die Liturgischen
Texte.
Diese alle befinden
sich in völliger Übereinstimmung
zueinander und zu den Lehren der
charismatischen Heiligen aller
Zeiten.
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Die Ansicht der Heiligen Schrift
„Aber warum wird dann am Ende der Bibel
verboten, diesem Buch etwas hinzuzufügen oder
wegzunehmen?“ wird der Leser vielleicht beharren.
Tatsächlich ist das Buch, auf das sich
diese Stelle bezieht( Offenbarung 22, 18-19), das Buch
der Offenbarung und nicht die Bibel als Ganzes. Sie kann
nicht die Bibel meinen, weil sie sich ausdrücklich auf
die „prophetischen Worten dieses Buches“ bezieht.
Außerdem ist die Offenbarung erstmalig im vierten
Jahrhundert in den Kanon der Heiligen Schrift
aufgenommen worden. Und das wichtigste, der zweite und
dritte Brief des Johannes sind um 98 n. Chr. geschrieben
worden, zwei Jahre nach der Offenbarung! Demnach dürften
sie auch nicht zur Bibel hinzugefügt werden, wenn sich
diese Stelle auf die Bibel als Ganzes beziehen würde.
Jedenfalls existierte, als diese Bibelstelle geschrieben
wurde, noch lange kein vollständiger Kanon der Bibel,
also kann er auch nicht gemeint sein.
Im Gegenteil, die Heilige Schrift selbst
sagt aus, dass es neben ihr „auch anderes“ gibt. Im
letzten Vers seines Evangeliums erwähnt Johannes, dass
es noch vieles andere gibt, was Jesus getan hat. „Wenn
man alles aufschreiben wollte, so könnte, wie ich
glaube, die ganze Welt die Bücher nicht fassen, die man
schreiben müsste.“
Auch woanders aber verlangt von uns die
Heilige Schrift, aus dem Munde des Apostels Paulus
diesmal, die Heilige Überlieferung nicht abzulehnen:
2. Thessalonicher
2, 15: „Seid also standhaft,
Brüder, und haltet an den Überlieferungen fest, in denen
wir euch unterwiesen haben, sei es mündlich, sei
es durch einen Brief.“
Neben dem, was in den Briefen der
Apostel geschrieben worden ist, ist in der Kirche auch
ihre mündliche Überlieferung bis heute bewahrt
geblieben.
Warum akzeptieren die Leugner der
Überlieferung nicht diese Worte der Heiligen Schrift?
Die Worte des Herrn gegen die Überlieferung, auf die sie
sich gerne stützen, beziehen sich auf die Jüdische
Überlieferung, nicht auf die Christliche, die da noch
nicht existiert haben kann.
Die Christliche Überlieferung beinhaltet
auch die „feste Speise“, die im
Hebräerbrief 5, 11-14
erwähnt wird. Hier, im schwierigsten Brief der Heiligen
Schrift, wird sein Inhalt als „Milch“ bezeichnet. Dann
würde ja die Bibel diese „feste Speise“ nicht
beinhalten! Wenn man dieses Bild fortführt, muss die
feste Speise in der übrigen Heiligen Überlieferung zu
finden sein.
Dasselbe erkennt man im 2. Petrus 1, 19.
Dort wird das Wort der Propheten als ein Licht
bezeichnet, das an einem finsteren Ort scheint, bis der
Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in unseren
Herzen.
Lasst uns das Licht der Heiligen
Schrift, das uns in den Glauben einführt, mit Vernunft
gebrauchen, damit wir aus allem Nutzen ziehen können,
was Gott zu unserer Unterweisung bereithält.